Hemiole Notenbeispiel 1

Hemiolen in Dreiertakten

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Hemiolen begegneten mir zum ersten Mal als Studentin bei Bachs h-moll Messe.
Damals hatte wohl keiner aus unserem kleinen feinen Gesangsensemble (Die Berliner Bachsolisten mit Solisten der Berliner Philharmoniker) den Dirigenten verstanden, der zunehmend wütend auf einer korrekt hemiolischen Ausführung der virtuosen 16tel – Ketten beharrte, ohne uns das so recht erklären zu können (s. Beispiel ganz unten). Oder lag es an uns?

Dabei ist alles ganz einfach:
Hemiolen sind nicht notierte Taktwechsel. Barocke Titel im Dreiertakt  o h n e Hemiolen gibt es praktisch nicht.
Sie werden im Barock und bis in die aktuelle Musik sehr regelmäßig eingesetzt, um in Dreiertakten Schlußwirkungen zu erreichen.
Sie stehen also folgerichtig gern an (Binnen-)Schlüssen von Stücken wie z.B. Menuetten, Sarabanden, Sizilianos und umfassen jeweils zwei 3er- Takte bzw. e i n e n 6er-Takt (6/8, 6/4).  Die Hemiole fasst 2 Dreiertakte zu  e i n e m  großen Dreiertakt zusammen. Aus: „Eins-Zwei-Drei, Eins-zwei-Drei“ wird also dann: „1 und,  2 und,  3 und“.  Diese neuen drei Zählzeiten habe ich in meinen Beispielen wie allgemein üblich mit drei Klammern gekennzeichnet. Natürlich ändern sich dadurch die Betonungen, denn der mittlere Taktstrich entfällt ja.Ihre Wirkung entsteht durch die Verschiebung der Schwerpunkte. (Zeile 2):

HemioleRhythmisch
Wer es mathematisch mag:
Die zwei 3/4 zusammen (oder ein einzelner 6/4-Takt) verfügen über 6 Viertel, bei anderen Dreiertakten aus Achteln oder Halben gilt das entsprechend. Diese sechs kann man schon rein rechnerisch aufteilen in zwei Dreiertakte mit jeweiliger Betonung auf 1)  wie zu Anfang des Beispiels unten, oder hemiolisch  in drei Zweiergruppen, wie in der zweiten Zeile. Die neue Betonung ergibt sich dann ganz automatisch:

Hemiole_Notenbsp2

In originalen Noten wurde oft der mittlere Taktstrich weggelassen, um die Hemiole zu kennzeichnen. (Tipp: Wenn es an einer „schlüssigen“ Stelle holpert – einfach schnell mal testen, obs als Hemiole auch noch holpert. Meist wird man belohnt: Die Wendung klingt plötzlich viel besser, und der Bass unterstützt die Stelle absolut passend.)
Selbstverständlich müssen auch die Continuospieler im Ensemble hemiolisch phrasieren, nicht nur die Solisten. Dirigent/innen schlagen an Hemiolenstellen ebenfalls den „großen Dreier“ bzw. drei Zweier.

Sehr griffige Merksätze:
Die Hemiole macht aus zwei kleinen Dreiern einen großen 🙂
Die Hemiole macht aus zwei Dreiern drei Zweier  🙂
„Da wo du rausfliegst ist eine Hemiole“ – sorry, stimmt auffallend oft  🙂

MEHR  ZUM  THEMA  HEMIOLEN – und mehr Notenbeispiele:

Es lohnt sich, mit ihnen vertraut zu sein – denn einmal erkannt, machen sie schwierig wirkende Rhythmen auf einmal viel logischer. Man übt es, ein Gefühl dafür zu bekommen – und bald gehts ganz selbstverständlich. Besonders hemiolenlastig sind Musiken über einen wiederkehrenden Bass („Ground“), wie Folias, Passacaglien und Chaconnen, aber ganz ohne kommt kaum eine Sarabande, kein Menuett oder auch sonstiges Dreiertaktstück aus.
Kurze Zusammenfassung:
Besonders deutlich macht das der Text aus der h-moll-Messe im vorletzten Beispiel.
Hemiolen sucht man erfolgreich an unzähligen kleinen Phrasenenden, natürlich auch oft am Schluss des Stückes. Man erkennt Hemiolen – außer mit Gefühl dafür – am typischen  kadenzartigen Bassverlauf,  häufig mit  Oktavfall auf Drei, und verziert am besten diese Stelle mit einem Vorhalts-Triller (+)  in der Oberstimme.  Viel Spaß beim Ausprobieren!

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One comment

  1. Vielen Dank für diese Ausführungen zu den Hemiolen. Finde ich wirklich gut! Im Orchester/Ensemble wird das zwar immer wieder kurz erläutert, aber nie so ausführlich. Und Vieles vergisst man, da tut eine Auffrischung gut. – Wünsche mir mehr solcher Themen in Ihrem Blog.

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