Ein Air für bessere Luft?
Als Musikerinnen und Musiker wissen wir natürlich, dass es besonders im Barock unzählige Airs gibt. Und romanophil, wie die Musik uns machte, spüren wir auch die sprachliche Nähe zum Wort Aria (= Arie, also zumindest ein sangliches Stück).
Was aber, wenn jemand eher „musikfern“ ist?
AIR heißt im englischen und französischen auch einfach nur Luft!
Mit dieser verblüffenden Tatsache konfrontierte mich vor vielen Jahren eine Freundin. Sie organisierte gerade ein Umwelt-Projekt in der Nähe des Berliner Alexanderplatzes. Dazu sollte es u.a. verschiedene mediale Darbietungen zum Thema „Luft“ geben. Sehr begeistert berichtete sie von ihrer Entdeckung, dass sogar bereits Bach ein Stück zum Thema komponiert habe: Das AIR nämlich!!!! Eine CD mit diesem Werk drauf habe sie nun gekauft – und ob ich noch mehr Ideen hätte?
Es hat mich verblüfft und nachhaltig bewegt – und brachte mich dazu, für sie eine „wissenschaftliche“ Begriffs-Klärung zu verfassen.
Bitte glauben Sie darin auch wirklich nicht ein einziges Wort….
Ich wünsche aber jedenfalls viel Vergnügen:
Air (alte Form auch: Ayre) engl., frz.: Luft (f.) bezeichnet den nicht sichtbaren Teil der Umgebung sowohl in geschlossenen Räumen (Zimmer, Saal), als auch in offenen (Park, Straße etc.). Die zwar riech- aber oft nicht seh- und fühlbaren Inhaltsstoffe der Air bleiben damit – wenn auch vorhanden – unerwähnt. Instrumentalstücke namhafter -> Audio-Ökologen wie -> J. S. Bach und -> Fr. Händel, um nur die berühmtesten zu nennen, wiesen in ihren Werken jedoch bereits gegen Mitte des 18. Jahrhunderts auf die ganz entscheidenden atmosphärischen Unterschiede hin. (Vgl. dazu: Bach, Lautensuiten, darin Airs 1-7, Orchestersuiten, darin Airs 8-15 u.a., aber wieder ganz anders auch: Händel, Messias, Concerti u.a., darin Airs 1-34 u.v.m.). Aus dem benachbarten Frankreich sind Beispiele dieses audio-ökologischen Genres bereits seit 1635 nachgewiesen (Airs in den Balets de Cour, Lully und andere). Besonders die Besetzung mit unterschiedlichen Instrumenten – man denke an den Unterschied von Streichern oder Bläsern – bringt die umgebende Luftqualität zum Ausdruck.
Da alle Airs in unmittelbarer Wechselwirkung mit der Atmosphäre um den Schaffenden standen, liefern sie uns Heutigen wertvolle Hinweise über die -> Luftqualität des Barock an den jeweiligen Wirkungsstätten. Auch die klaren Aussagen durch die spürbaren nationalen Unterschiede der Werke (Deutsch / Französisch / Italienisch?) machen sie für unsere heutige Klima– und Umweltforschung wertvoll. 🙂
Weitere Aspekte bringt diese Quelle:
Air, engl./frz.: Luft, musikökologisch/emanzipatorisch: Die mit Air betitelten Oeuvres werden traditionell an Stätten mit besonders dichter Luftverschmutzung, kombiniert mit wenig Sauerstoff, zum Klingen gebracht. Der Name ist Programm, man spielt sie leicht, eben luftig, und liefert somit das, was diesen Orten besonders fehlt. Der Begriff geriet in den letzten Jahren aber durch die zunehmend sensibel gewordene und engagiert arbeitende -> Frauenbewegung stark in Verruf. Durch die in deutschsprachigen Ländern gegebene Klanggleichheit von AIR mit dem männlichen Personalpronom Er erschienen nun sowohl die Luft, als auch das melodische Musikstück zum Thema ungewollt männlich okkupiert. Seitens der Sprachwissenschaftlerinnen wird zur Zeit untersucht, ob etwa das nicht mehr zeitgemässe Air mit der fast in Vergessenheit geratenen Bezeichnung: Brise, (die), in seiner Doppelbedeutung zu ersetzen wäre. Die Redaktion der EMMA zeigte sich optimistisch und hofft auf baldigen Erfolg der Initiative.
Durch die vielfach unklare und irrtümliche Verwendung des Wortes Air in Redensarten wie: „Air is nischt für mich“ und „Er – Kondition“ hat es sich kürzlich zum Kandidaten für das Unwort des Jahres qualifiziert. 🙂