Es war eine gelungene Überraschung für mich, dass nun jede der Saltarellos sich eine Sigo angeschafft hat. Sie funktionieren bestens und machen wirklich Spaß! Hier spielen wir auf ihnen sehr spontan das bekannte Telemann-Konzert (für 4 Altflöten). Dass sie anfangs etwas fest zusammen zu stecken sind gibt sich, wenn man sie mal zwei Tage zusammengebaut liegen lässt. Und aktuell habe ich das Gefühl, dass sie sich auch richtig einspielen, wie Holzflöten.
Sie sind sanft zu kleineren Händen, die auch mal Tenor spielen möchten. Bei der schwülen Hitze dieser Tage punktet die Flöte mit ihrem sicheren, rauhen Griffgefühl – sie glitscht auch in feuchten Händen nicht weg 😉 Einer meiner lieben Schüler – etwas gehandicapt mit wenig Armkräften an den Rollstuhl gebunden – spielt normalerweise nur Bass. Da steht das Gewicht auf dem Stachel am Boden. Da die Sigo am unteren Ende kein Loch hat, kann er sie nun ebenfalls sehr geschickt auf dem Oberschenkel aufstützen – und damit steht ihm endlich die Welt der höheren Flöten offen. Wunderbar!
G – Alts klingen so schön! Diese etwas kürzeren Altflöten mit Grundton G, die der Ganassi-Sopran ähnlich sehen, passen besonders gut zur Musik der Renaissance. Ihr Klang ist grundtönig, weich, milchig und mischt sich toll im Ensemble. Netterweise lassen sich G-Altblockflöten überwiegend mit gewohnten barocken Griffen spielen, kleine Anpassungen zu sauberer Intonation merkt man selbst rasch (siehe Tipps unter dem Beispiel).
Natürlich gibts ein kleines Problem: Die originalen Noten sind klingend notiert – so dass wir selbst transponieren müssen, je nachdem, ob wir eine Blockflöte in C, F, D oder eben G spielen. (Grundton ist der Ton, bei dem alle Löcher bedeckt sind). Das kann man entweder üben 🙂 oder sich für den vielleicht nicht so oft genutzten G-Alt ein Stück umschreiben. Das ist völlig in Ordnung, auch wenn wir es „Mogelgriffe“ nennen. Denn die meisten anderen Blasinstrumente werden bereits mit mundgerecht transponierend notierten Noten beliefert und sind entsetzt und voll Mitleid, wenn sie hören, dass wir das jeweils selbst erledigen müssen. So einfach geht’s: Altflöte denken – 1 Ganzton tiefer notieren (= 2 Halbtöne) – evtl. oktavieren – fertig! Dabei aufpassen, es entsteht natürlich „automatisch“ eine andere Tonart. Unten gibt’s ein Beispiel – und dies auch zum Anhören (G-Alt):
Blockflötenfestival Bad Kissingen 2025. Team Kunath wagt wieder einen innovativen Schritt in die Zukunft. In Zusammenarbeit mit dem Schweizer Blockflötenbauer Geri Bollinger, der die geniale Idee für einen gefalteten Windkanal einbrachte, entstand ein ganz neues Instrument. Jo Kunath präsentiert sich in Bad Kissingen – den ganzen Tag umgeben von etlichen Staunenden – in Blaumann, Gummistiefeln und Sonnenhut als „Sigofarmer“. Er zaubert Bilder im Kopf. Man sieht es fast vor sich, wie die jungen Sigos unter seiner Bewirtschaftung aus dem Boden (nein, 3D-Drucker) sprießen. Man traut ihnen das Potential zu, die Welt – naja, also Blockflötenwelt – in eine neue Zeit zu führen. Da es mir grundsätzlich gefällt, wenn sich im Blockflötensektor etwas weiterentwickelt, habe ich mir eine Sigo angeschafft. Vielleicht gelangt die Sigo bald auch anstatt einer Sopran mal in Anfängerhände? Ich könnte mir vorstellen, dass damit dem ewigen Gelästere über die „quietschenden“ Blockflöten mal etwas entgegengesetzt würde 🙂 Was sind Sigos? Sigos (klicken für mehr Info) sind Blockflöten in einer neu entwickelten Bauweise, die nach langen Forschungen und vielen Experimenten nun „druckbar“ sind. Material: Resona – eine umweltverträgliche Kunstoff/Holz- Mischung. Natürlich brauchte das neue Baby einen Namen, klar! Der Name entstand aus der Idee für „Si“ = ja und „go“ = geht los! Mal ein paar Töne hören?
Das Besondere? Als etwas größere Sopran-Flöten in C klingen sie tief wie eine Tenor! Mit praktischem Knick oben – und mit eingebauter Daumenstütze unten. Natürlich mit barocker Griffweise. Dabei überraschen sie mit schönem, warmen Sound und erstaunlicher Lautstärke! Wofür? Tenorflöten klingen warm und weich – sind aber immer eine Herausforderung für die Finger, oft mehr als die Bässe. Mit der Sigo eröffnet sich beispielsweise für viele Spielerinnen in den Ensembles eine verlockende Möglichkeit, auf einem tieferen Instrument mitzumachen. Und die Sigos mischen sich gut! Viele SchülerInnen würden gern auf der Sopran weitermachen – mögen aber nicht den piepsigen Ton und vielleicht auch nicht mehr das winzige Instrument. Denen kann ich doch jetzt etwas tolles anbieten! Teuer? Mit ca. 139€ unglaublich bezahlbar für einen futuristischen praktischen Tenor und eine gute neue Idee!
Von Do 9.5. bis So 12.5.24 finden die Blockflötenfesttage voller spannender Begegnungenzum 39. Mal statt. Hier alle Details
RegentenbauGroßer SaalGrüner Salon
Wie jedes Jahr freue ich mich auf : Hochkarätige Konzerte internationaler Musikerinnen und Musiker Verkaufsausstellung feinster Instrumente, riesige Notenauswahl Stöbern nach etlichen Must Haves (wie kreative Flötentaschen & Ständer) Inspirierenden Austausch und professionellen Input zu Neuentwicklungen Evtl. Mitwirkung im Blockflötenfestage-Orchester (Simon Borutzki)
Der Umzug der Blockflötenfesttage von Stockstadt hierher ist mittlerweile „verdaut“, die prächtigen Säle des Regentenbaus überzeugen mit viel Atmosphäre und guter Akustik. Silke „Katze“ Kunath und Joachim Kunath haben sich im Frühjahr als Veranstalter verabschiedet und die Leitung des Festivals an den neuen Vorstand des Vereins Flauto dolce e.V. übergeben. Vorsitzender & Intendant des Festivals ist nun nach langjähriger Mitarbeit Maurice Steger.
„Alte Musik in neuem Gewand„ getreu diesem Motto besucht uns zur „Late Night“ sogar eine Spezialistin für Aliens 🙂 Klangprobe? Bitte:
so begrüßt die englische Blockflötistin Sarah Jeffery seit Jahren sehr launig die Besucher ihres Youtube-Kanals Team_Recorder Wie kommen die Engländer auf die Idee, der Blockflöte einen so artfremden Namen zu geben, der jede Stichwort – Suche überfordert? Außerdem ist Recorder in England auch noch eine Berufsbezeichnung im juristischen Bereich.
Schon im Mittelalter
Welches Pfeiflein nun welchen Namen trägt, war eigentlich jahrhundertelang nicht wichtig, die Unterschiede sind auf Gemälden oft auch nicht genau zu erkennen. Da ist es erfreulich, dass bereits anno 1388 im Haushaltsbuch desHenry Earl of Derby, dem späteren König Heinrich IV, die Anschaffung einer „Fistula nomini ricordo“ – in anderen Quellen: recordour notiert ist (also einer Pfeife mit dem Namen: Andenken, Erinnerung). Ausgerechnet dieser Name setzte sich auf der Insel durch und wird etwa ab dem 16. Jh. dort verwechslungsfrei nur für die Blockflöte gebraucht. Daneben etablierten sich neben Recorder in England aber auch Namen wie „Common Flute“ oder „English Flute“ für unser Instrument – im Gegensatz zur Flute Allemande, der Traversflöte. Die Blockflöte heißt in Frankreich Flute à bec (Schnabelflöte), in Italien Flauto.
Lateinisch, englisch, französisch – immer vom Herzen
Latein: Recordare – sich erinnern, beachten, verinnerlichen Altenglisch: to record – „aus dem Herzen wiedergeben“ (auswendig), meint aber auch in bestimmten Vogelfreunde-Kreisen das Singen der Vögel, insbesondere, wenn die Jungen es übten. Altfranzösisch: Recordeur – jemand, der etwas rezitiert, aus dem Herzen (auswendig) wiedergibt.
Die Blockflöte wurde gern mit Schäfern (und den späteren arkadischen Schäferspielen der galanten Zeit) in Verbindung gebracht, auch in Erzählungen erwähnt (die mittelalterliche Sage des Rattenfänger von Hameln) und von Jakob van Eyck zur Unterhaltung der Spaziergänger benutzt. Alle spielten sie aus dem Herzen – und ahnten noch nichts von den Recordern des späteren 20. Jahrhunderts.
Quellen: David Munroe, Musikinstrumente des Mittelalters und der Renaissance, Ed. Moeck 4017 (1976) und im englischen Wikipedia_Stichwort „Recorder“.
Mit großer Vorfreude bereite ich gerade mein Projekt fürs nächste halbe Jahr vor: Englische Musik aus vier Jahrhunderten. Mehr steht unter dem Notenblatt….
Es wird Stücke für die Jüngsten ebenso geben, wie für die erfahrenen Ensembles. Toll wäre, wenn auch Gemeinsames gelänge. Die Auswahl ist ja riesig! Außer Purcell, Dowland, Händel, Boyce, Vaughan Williams, Beatles, Cat Stevens usw. entdeckte ich auch putzige englische Kinderlieder. Da gerade Ferien sind, habe ich die Zeit genutzt, spielbare Sätze für die Ensembles zu basteln und Liedblätter für die Kinder zu machen. Oben ist eins davon abgedruckt (ich wollte schon immer soo gerne blinde Mäuse malen!) Und nächste Woche geht der Praxistest dann dann los!
Am zweiten Advent gelang ein sehr schönes gemeinsames Konzertprojekt mit der Kantorei der Neustädter Kirche und dem Ensemble Saltarello. Auf dem Programm standen Werke aus vier Jahrhunderten. Wir hatten uns im Vorfeld große Mühe gegeben, auch eventuell nicht so blockflötenaffine Menschen musikalisch einzufangen: Vom „normalen“ Renaissancesound mit G-Alt , über Gemshorn-Quartett (gebaut von Rainer Schwarze), swingende Töne („Its beginning to look la lot like Christmas“), barock-virtuose Corelli-Seligkeit bis zur Besetzung mit Paetzold-Bässen (Holst, In the Bleak Midwinter, gemeinsam mit dem Chor) erklang also alles, was passte.
Reicht nicht ein Instrument pro Person? In letzter Zeit komme ich zunehmend zu dem Schluss, dass Reiz und Chance für Blockflöte Spielende in der Möglichkeit zur Vielfalt liegen. Und die haben wir ja noch nicht einmal voll ausgenutzt! Mehr darüber auch hier. Viel Applaus aus voller Kirche – und großes Interesse an den Instrumenten am Ende.
„Also gut, in Gottes Namen, wir bauen das jetzt als Deutsche Griffweise, was meine persönliche Dummheit und mein Irrtum war.“ (Peter Harlan selbst zu seiner Bauweise, in den Zwanzigern des 20. Jahrhunderts)
Diese Bauweise ist das Ergebnis eines Versuchs, im Zuge der Wandervogelbewegung in den Zwanzigern des vorigen Jahrhunderts (ausgehend von Berlin-Steglitz) eine ganz vereinfachte Flöte herzustellen. Sie hat sich langfristig nicht durchgesetzt, existiert in Deutschland aber bis heute vereinzelt noch. Immerhin betrat „unser“ Instrument dadurch überhaupt wieder die musikalische Bühne!
Die „deutsche Griffweise“ für Blockflöten unterscheidet sich optisch zunächst nur durch ein kleineres 3. Tonloch (von unten) von der barocken. Auf ihr ist es möglich, die ersten Töne der Grundtonleiter durch einfaches Hochheben des jeweils nächsten Fingers zu spielen, während barocke Flöten beim 4. Ton einen Gabelgriff rechts benötigen.
Foto: Links deutsche, rechts barocke Bohrung. Die Größe des vom Stift gezeigten Lochs kennzeichnet den Unterschied.
Doppellöcher können in beiden Bauweisen vorkommen!
Harlans sofortiger Versuch, die Verbreitung der von ihm konstruierten „Verrücktheit“ (seine Worte) zu stoppen, scheiterte jedoch: Das Flötlein verkaufte sich über viele Handelsfirmen schnell sehr gut, zuerst wohl durch die Firma Bärenreiter.
Tatsächlich wurde im Blockflötenbau gerade durch die aktuelle Jugendbewegung viel experimentiert.
In Zusammenarbeit mit dem in England bereits profilierten Alte-Musik-Spezialisten und erfolgreichen Blockflötenbauer Arnold Dolmetsch begann Harlan die barocke Griffweise mit den Gabelgriffen zu verstehen. Da Dolmetschs Einfluss hier deutlich wurde, sprachen nun manche Leute sogar von einer „englischen“ Griffweise, wenn sie die barocke meinten, die bis heute weltweit gespielt wird.
Das Original – Interview mit Harlan
Der Blockflötist Nik Tarasov hat den Mitschnitt des langen Harlan/Jöde Interviews für den Windkanal aufgeschrieben, hier der Link. Aufbewahrt ist das Band im Archiv der Jugendmusikbewegung, Burg Ludwigstein.
Peter Harlan: innovativer Instrumentenbau abseits des Blockflötenirrtums Peter Harlan machte sich insgesamt für die Wiederentdeckung und den Neubau mittelalterlicher Instrumente sehr verdient. Er stand in Kontakt mit namhaften Künstlern und Instrumentenbauern der Zeit und arbeitete daran, u.a. nach den Abbildungen und Beschreibungen des Syntagma musicum (Michael Praetorius, 1615) historische Instrumente v e r e i n f a c h t neu zu bauen. Um originalgetreue Kopien ging es ihm in dieser Zeit nicht, sondern um viele für jedermann erschwingliche, einfach zu spielende Instrumente.
Harlan – ein Tonbeispielhier.
Seine „Zupfgeigen“ (Gitarrenlauten), Fideln und Gamben waren bezahlbar – und teilweise in Bausätzen selbst nachzubauen. Sie taugten ganz im Sinne des Wandervogels gut für schlichte barocke Tänze, die sich neben den Liedern des Zupfgeigenhansels in geselliger Runde spielen ließen.
Nach dem zweiten Weltkrieg zog er mit seiner Instrumentensammlung und der Werkstatt als Musikausbilder in die Burg Sternberg (Lippe). Später führten seine Söhne diese Arbeit fort.
MAN MUSS ETWAS NEUES MACHEN UM ETWAS NEUES ZU SEHEN.
Wahlspruch (Georg Christoph Lichtenberg) auf der Webseite von Tre Fontane
Wieder muss die Blockflötenwelt sich von einem ihrer besonderen Schätze verabschieden. Auch wieder einem, der unermüdlich Neues machte: Vor wenigen Wochen verließ uns der Verleger Ronald Brox (Verlag Tre Fontane). Ich erlebte ihn als warmherzigen und humorvollen Berater, wenn ich Stücke suchte oder einfach mal nur zum Plaudern mit ihm und Mitverlegerin / Blockflötistin Heida Vissing an ihrem Stand auf den Blockflötenfesttagen (ehemals Stockstadt und jetzt Bad Kissingen) vorbei schaute. Und da gab es stets viel zu entdecken: In den typischen weißen Heften in schönem Papp-Einband, verziert mit kunstvollen Drucken und dem putzigen Tre Fontane – Logo lauert Musik für unterschiedlichste Blockflötenbesetzungenauf ihre Entdeckung: Musik zeitgenössischer Komponist/innen vieler Länder, auch einiges komponiert Heida Vissing (gerade auch für sehr junge Ensembles) – ebenso wie Stücke aus der Feder vom Meistern vergangener Jahrhunderte, neu für Blockflöten spielbar gemacht, von Brahmsliedern bis….. Oft sind die ersten 50 Ausgaben handnummeriert. Sehr traurig und noch kaum vorstellbar, diesen lieben und charismatischen Menschen nun nicht mehr in Bad Kissingen erleben zu können. Heida Vissing wünsche ich viel Kraft und sende ganz herzliches Beileid. Wie ich höre, wird Heida Vissing den Tre Fontane Verlag allein weiterführen. Wie schön!
Adriana Breukink arbeitete stets an der Vision einer Blockflöte, die „frei wie ein Adler!“ spielt. (engl: Eagle). Inspiriert hatte sie der Anblick des starken Weißkopfadlers. Kopien von barocken Original-Instrumenten spielten dabei keine Rolle. So entstanden neben „Traumflöten“ vor allem ihre „Eagle Classic“ (vgl. mehrere Artikel in diesem Blog) , und die F-Alt „Eagle Ganassi“ aus Buchsbaum. Je nach Atemtyp sind sie wahlweise solar oder lunar gebaut, mehr über Terlusollogiehier
Der starke, warme Ton dieser Flöte begeistert mich. Netterweise überzeugt sie mich aber auch mit weiteren Vorzügen:
Sie benötigt deutlich weniger Luft als die „Classic“
sie ist wesentlich leichter, da aus Buchsbaum und mit weniger Klappen
sie ist nach kürzerer Eingewöhnung auch leichter spielbar. An die riesigen Löcher muss man sich gewöhnen, die Griffe sind relativ „normal“. Was fehlt:
Sie verfügt leider über keine Klappe für ein tiefes E.
Die geheimnisvolle Klappe links oben am Kopf hat sie auch nicht. Somit fallen einige Besonderheiten weg, die die klanglichen Möglichkeiten der Eagle Classic erweitern und auszeichnen. Die aber auch viel Übearbeit erfordern.
Diese Flöte kann man für fast alles benutzen. Sie ist durch ihren vollen, lauten Ton natürlich auch gut für das Zusammenspiel mit anderen Instrumenten geeignet. Sicher klingt sie auch im Freien klasse. Übrigens: Nach dem Adler, der auf meinem Foto so stolz auf seinem Horst sitzt, habe ich sie Hortense getauft 🙂