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Artikulation – Sprechen mit der Flöte (3)

Herzlich willkommen zur Fortsetzung des kleinen Kurses!

1-altflöten_Stein 001Wann also das dichte „D“, wann das markantere  „T“ ?
Bei den Betrachtungen zu den passenden Artikulations – Konsonanten sind wir in bester Gesellschaft beispielsweise mit den Streichern. Hier braucht es keine Konsonanten – aber Auf- und Abstriche: lesen Sie dazu auch Leopold Mozarts „Gründliche Violinschule“, eine der Hauptquellen über das Instrumentalspiel im 18. Jahrhundert. Faszinierend sind die daraus folgenden musikalisch gleichen Ergebnisse bei Bläsern und Streichern.
Artikulationsregeln fanden sich bereits bei Silvestro Ganassi im 16. Jh.,  und sie ziehen sich durch die barocke Fachliteratur des 17. und 18. Jahrhunderts, wie ich im Kapitel über historische Aufführungspraxis bereits beschrieben habe,  hier. In diesen Lehrwerken ist auch von anderen Anblaskonsonanten wie „R“, „L“, „K“ und „CH“ die Rede – aber darüber ein späteres Mal…..

Die Regeln sind nie starr, aber  T  benutzen Sie (im allgemeinen) ganz passend für:
a)  den ersten Ton eines Stücks

b) Auftakt und Folgeton – auch innerhalb der Stücke/Lieder
c) den zweiten Ton eines Sprungs
d) ab dem zweiten Ton einer Tonwiederholung
e) den Vorhalt des Trillers oder/und denTon nach Triller
f) die Synkope
g) den ersten Ton einer Reihe kurzer Noten
f) den Ton nach einer Pause
g) im Zusammenhang mit Punktierungen – sehr variabel

D  benutzen Sie im Wesentlichen für
diatonische Tonfolgen, also Reihen von Halb- und Ganztönen, wie die Tonleiter.

Hier habe ich schnell ein paar Notenbeispiele konstruiert und die Artikulationssilben darunter geschrieben. Versuchen Sie doch einmal zuzuordnen, um welchen Fall es sich jeweils handelt:Notenbeisp_Artik
Oft gelten gleich mehrere Kriterien auf einmal, manchmal muss man ein Kriterium vernachlässigen, weil einem ein anderes gleichzeitig wichtiger ist. Sie als Interpret entscheiden letztlich auf Grund der Regeln immer selbst, wie Sie etwas gestalten, so lehrte bereits Hotteterre in seinen „Principes“, die Sie hier nachlesen können.
Es ist also völlig ok, wenn Sie es etwas anders spielen, als ich vorgeschlagen habe.
Wenn Sie einfache Musikstücke zur Hand haben, trainieren Sie ein paarmal etwas akribisch die Kriterien für deutliche Artikulation – sie werden Ihnen bald sehr selbstverständlich vorkommen.
Denken Sie auch noch an die leicht angelegte Zunge und den gleichmäßig ausströmenden Atem?

Für heute wünsche ich viel Spaß und Erfolg!

Artikulation – Sprechen mit der Flöte (2)

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Kontrabassflöte & Sopranino. Und sie sprechen die gleiche Sprache!

Herzlich willkommen! Und weiter gehts:
Natürlich besteht eine ausdrucksvolle Musiksprache nicht nur aus der einen einzigen Artikulationssilbe „Dö“, wie im ersten Teil beschrieben. Obwohl man damit bereits vieles sehr schön spielen kann. Alle Töne sind mit dem weichen Anfangsbuchstaben „D“ sehr dicht aneinander gereiht. Achten Sie noch einmal darauf und erinnern Sie sich an die Perlenkette. In der Reihe unterhalb der Silben sehen Sie, wie lange Ihre Töne erklingen (schwarzer Strich) und was Ihre Zungenspitze zwischen den Tönen tut (die kleinen roten Häkchen). Diese Übung geht mit und ohne Flöte:

Die roten Häkchen sind die Zungenabschlüsse

Die roten Häkchen sind die Zungenabschlüsse

 

 

 

Nun versuchen Sie genau das gleiche, ersetzen aber die „D“s durch „T“s. Auch dies habe ich notiert – und sie sehen sehr deutlich, was sich ändert. Um den Konsonanten T zu sprechen, stauen wir die gleichmäßig ausströmende Atemluft einen Moment länger hinter unserer Zunge. (Sie erinnern sich an das Bild vom Wasserschlauch?) Dieser Zungenabschluss wirkt wie ein Abstandhalter zwischen den Tönen und ist wieder rot eingezeichnet. 2-019Nach dem Zungenabschluss entweicht die gestaute Luft mit einem kleinen Knall – dem gewünschten T. Sie brauchen dieses T nicht etwa extra zu betonen – das tun Sie beim Sprechen ja auch nicht, und jeder versteht Sie. Wichtig ist, dass Sie den Ausatmungs-Fluss nicht anhalten und danach etwa neu blasen. Fühlen Sie sich lieber etwas wie ein Föhn 🙂 Die Luft strömt – und das einzige, was sich bewegen darf, ist Ihre Zunge: Experimentieren Sie mal eine Weile mit diesen beiden Möglichkeiten und probieren sie aus, welche Varianten Sie damit gewonnen haben. Spielen Sie einfach Melodien mal mit deutlichen Ds und mal mit Ts. Natürlich entscheiden Sie selbst für jede Note, wie mehr oder weniger dicht sie folgen soll – bzw. wie stark „knallig“ sie beginnen soll. Schön ist es, wenn Ihnen die „D“s besonders dicht gelingen. Denken Sie zwischendurch immer mal an die oben leicht angelegten Zungenränder.
Wenn Sie damit Ihre Erfahrungen gemacht haben, beginnen Sie, mit den“T“s und „D“s eine Art Muster zu entwerfen – also Ihre ersten Worte mit der Flöte. Hier ein paar Beispiele, die allein mit vier gleichen Tönen schon möglich sind, spielen Sie jede Reihe eine Weile lang, quasi als Endloskette:

1-024Falls Ihnen das im Moment noch kompliziert vorkommt, wird es Sie trösten, dass jeder es Wochen und Monate trainieren muss(te). Es klappt keineswegs von Anfang an, aber belohnt Sie später sehr! Trainieren Sie immer sehr langsam und beobachten genau, ob Ihre Zunge auch das tut, was Sie wollten – dann wird es bald auch schneller und ganz selbstverständlich funktionieren.
Im nächsten Artikel schreibe ich darüber, an welchen Stellen einer Melodie sich die Gestaltung mit D oder T empfiehlt – und warum.

Bis bald also!
Und Ihre Fragen oder Kommentare sind auch diesmal willkommen.

 

Bunte Sopranflöten

Artikulation – Sprechen mit der Flöte (1)

Ich kenne ja meine Leserinnen und Leser nicht. Nachdem die letzten Beiträge sich mit der historischen und auch der brandaktuellen Instrumentenentwicklung (siehe Elody) beschäftigten, setze ich heute meinen kleinen Kurs_Basics fort. Möglicherweise gehören gerade Sie zu denen, für die genaue Informationen zu spieltechnischen Details sehr interessant sind. Prima! Wenn nicht: ein Klick – und wir sehen uns vielleicht beim nächsten Beitrag wieder. Ansonsten wünsche ich viel Vergnügen beim Lesen und evtl. Trainieren.

Der Ansatz
Tatsächlich benötigen wir zum Flöte spielen außer den Fingern noch einen Bereich unseres Körpers, den man nicht einsehen kann – und genau dies macht es ja so schwierig! Ausgerechnet in der Mundhöhle spielen sich die komplizierten Wechselwirkungen von Gaumen, Zähnen, Zunge und Atemluft ab. Aber erst mit gekonnt beherrschter Artikulationstechnik kann man Flötenmusik verständlich und ausdrucksvoll zu Gehör bringen.
In der Praxis habe ich schon die unterschiedlichsten Techniken erlebt, wie man mit diesen Mundwerkzeugen einen Ton erzeugen kann – alle funktionieren auch prompt bis zu einem gewissen Grad. Allerdings fällt schnell auf, dass die Ergebnisse entweder klanglich nicht überzeugen, im Tempo nicht zu steigern sind, unglaublich viel Luft verbrauchen oder etwa noch zu ständigem In-die-Flöte-Sabbern (sorry) führen.
Am besten funktioniert doch die Methode mit den D’s oder T’s, wie sie die barocken Meister beschreiben. Da das gar nicht so einfach ist, sondern richtig gut trainiert werden muss, fangen wir ganz von vorne an.

Beginnen Sie mit diesen drei Übungen:
1.  Spitzen Sie die Lippen wie zum Pfeifen. Legen Sie dann Ihre Zunge so an den Gaumen, dass Sie quasi den oberen Mundraum mit ihr auskleiden. Ganz wichtig dabei: Die Zungenspitze liegt rundherum etwas unterhalb der inneren Schneidekante der Zähne (gilt auch für Franken!) . Und nun versuchen Sie, einen Vokal – z.B. ein „Ö“ – zu singen oder auch nur, die Luft auszublasen. Und? Geht nicht? Kann ja nicht, denn unser oberer Mundinnenraum bildet mitsamt der Zunge als unterer Begrenzung  einen röhrenförmigen „Windkanal“ – und den haben Sie gerade mit der Zunge vorn verschlossen, nichts geht mehr durch.  Man nennt dies den „Zungenabschluss“, nicht zu verwechseln mit einem „Düü-t“, bei dem die Zunge den Kanal am Ende wieder geöffnet hat.

2. Geben Sie nun, wieder mit Pfeiflippen, der oben angelegten Zunge ganz wenig mehr Raum – gerade nur so viel, dass Sie mit gespitzten Lippen hörbar ein ca 3 Sekunden langes „Döööööööö“ singen können. Beobachten Sie, dass die Seitenränder der Zunge immer noch an einigen Stellen die seitlichen oberen Zahnoberflächen berühren und dadurch die Zunge in der Mitte etwas nach unten gewölbt wird – wie die untere Hälfte einer Röhre. Und wieder: Keinesfalls darf die Zunge die Begrenzung der Zähne durchbrechen. Ganz wichtig immer:

Flöte: Vor den Zähnen / Zunge: hinter den Zähnen.

Damit schließen Sie aus, dass beim Flöte spielen die Lippen oder gar das Instrument von der Zunge berührt und befeuchtet werden.
Halten Sie nun – während Sie ein langes Dööööööö sprechen –  die Innenfläche ihrer Hand dicht vor den Mund. Sie spüren vermutlich einen gleichmäßig strömenden Luftzug. Unser persönlicher Windkanal ist also geöffnet – ein langer Ton erklingt! Dieser gleichmäßig fließende feine Luftstrom wird Sie durch alle Flötenmusik begleiten. 

3. Wenn Sie nun kurze Töne spielen möchten, ändern Sie bitte nichts am gleichmäßig ausströmenden Atem. Sie starten wieder in der Pfeifstellung. Vergewissern Sie sich, dass die Zunge noch leicht abgestützt rechts und links die Zähne berührt und sprechen Sie nur durch Bewegung der Zungenspitze: Dödödödö dödödödö. Kontrollieren Sie auch jetzt mit der Handinnenfläche den „Luftausstoß“. 1-064Die kleinen Impulse sind quasi Perlen auf einer Kette, Ihr Atem ist das durchlaufende Fädelband.
Vielleicht hilft Ihnen auch noch ein anderes Bild: Nehmen sie einen Gartenschlauch und lassen Wasser hindurch fließen. Mit Ihrer Hand stoppen Sie durch Verschließen jeweils ganz kurz den Wasserstrom – und öffnen ihn gleich wieder. Es entstehen rhythmische Impulse – der Wasserdruck selbst lässt aber nie nachDie völlig gleichmäßige Aneinanderreihung von Einzeltönen – mit einer Zungenspitze, die sich ganz leicht im Windkanal bewegt – kann man auch ohne Flöte wunderbar beim Fahrradfahren singend oder in anderen unbeobachteten Momenten trainieren. Im nächsten Artikel werde ich beschreiben, wie man Töne unterschiedlich artikuliert spielen kann. Bis bald also!
Falls Sie etwas fragen oder bemerken möchten, bin ich sehr gespannt! Es geht ziemlich viel weiter unten bei „Hinterlasse einen Kommentar“. Danke.