Die kleinen aber feinen „ A g r é m e n t s “
also die „Annehmlichkeiten“, haben in der Barockmusik eine wichtige Aufgabe: Damit die Hörer nicht von zu schlichten Melodien gelangweilt würden oder das Ohr nicht von den vielen aufeinander folgenden harmonischen Konsonanzen ermüde, sollen sie mit kleinen Schleifern und Umspielungen die Musik geschmeidiger und galanter gestalten, sowie durch dissonanzbildende Vorhalte mehr Spannung in den Vortrag bringen.
Ganz sicher nutzten die höfischen Musiker aber auch die Chance, die Musik mit all ihrem Können imposant anzureichern und sich damit als große Virtuosen zu profilieren!
Die Bezeichnung „Wesentliche Manieren“ für die kleinen Verzierungen, die dicht um die Hauptnote herum erklingen, macht deutlich, dass Verzierungen bis zu einem gewissen Ausmaß ein selbstverständlicher und eingeplanter Bestandteil der Komposition sind, und nicht freiwilliger Zierrat. Da Verzierungen aber fast nie ausgeschrieben wurden – und oft nicht einmal Symbole über den Noten angebracht wurden, erfordert es gute Kenntnisse und Geschmack, wenn man stilfeste und wirkungsvolle Verzierungen spielen möchte. Wichtig ist, dass man auch bei den kleinen Verzierungsnoten in der richtigen Tonart bleibt.
Auf der Basis von überschaubaren Grundkenntnissen bleibt immer ein Improvisationsspielraum für die Interpreten, so dass ich finde, dass Verzieren einfach auch Spaß macht und es nicht grundsätzlich dauernd nur um richtig oder falsch geht.
Von den wesentlichen Manieren, die dem eleganten französischen Geschmack sehr entsprachen, unterschieden sich die großräumigeren „willkürlichen Manieren“ der Italiener, z.B. in Corellis Sonaten oder in bereits wesentlich älteren italienischen Lehrwerken, wie der Flötenschule LaFontegara von Sylvestro Ganassi von 1535 (!). Hier finden sich ausladende Girlanden aus schnellen Noten, Akkordbrechungen und virtuose Diminutionen – aber darüber ein andermal mehr.
Deutsche Musiker schrieben vieles im französischen Stil, wie sie ja auch bei Hof französisch sprachen: Deutlich wird das meist schon am franz. Titel oder der franz. Satzbezeichnung eines Werks. Aber typisch für deutsche Musiker war ja der sogenannnte „vermischte Geschmack“, der also Einflüsse von allen Seiten integriert, wie im Beispiel oben. Zeitgenössische Lehrwerke rieten einem angehenden Musikus, sich durch häufiges Anhören der Besten seinen Geschmack dafür zu bilden, wie Verzierungen gesetzt werden müssen.
Das ist bis heute ein guter Tipp!
Wer es lieber nachliest:
Einige Komponisten des 17. und 18. Jh. widmeten der Verzierungslehre Kapitel in ihren Lehrwerken, eine kleine Literaturliste zum Thema finden Sie in diesem Blog im Beitrag über die historische Aufführungspraxis, hier klicken.
Sie hinterließen auch konkrete Beispiele dafür, wie sie die Verzierung ihrer eigenen Musik erwarteten: Telemann hinterließ z. B. seine zwölf „Methodischen Sonaten“, in denen die reich verzierte Solostimme zusätzlich zur unverzierten abgedruckt wird, wie Sie im Beispiel oben sehen. Von Corelli gibt es dies ebenso. Auch das Komponieren sogenannter Doubles zu Sarabanden oder Menuetten war üblich, in denen die gleiche Musik beim zweiten Mal nun bereits stark verziert notiert ist.
Im nächsten Beitrag des Blogs: französische Verzierungen und der ganz wichtige (Kadenz)triller.
Den Abschluss für heute liefert J.S.Bach:
„Explication unterschiedlicher Zeichen, so (gewisse?) Manieren artig zu spielen andeuten“:
J.S.Bachs Erläuterungen der Manieren im „Clavierbüchlein für Friedemann“, seinen Sohn. Quelle: Wikipedia
Liebe Frau Pape, zwar bin ich „nur“ Hobbymusikerin, jedoch Ihre Beiträge sind für mich vom Inhalt her eine Bereicherung – und selbst Ihre Sprache hat wohltuenden Klang!